Fisch in nicht rechteckiger Form
Es ist noch finster, die Straßen leer und der Himmel bedeckt. Ein nebliger Herbstmorgen. Wir sind verabredet mit dem Donaufischer Johann Mayer in Straubing.
Seit 1751 lebt seine Familie von der Donaufischerei. "Warm anziehen", hat er mir noch mitgegeben am Telefon. Wir treffen uns vor seinem Betrieb in der Donaugasse. Dann geht es los: Mit dem Transporter durch die menschenleeren Gassen der Straubinger Altstadt hinaus aufs Land hin zu einem unauffälligen Gebäude in Flussnähe. Dort ist das Boot gelagert – und grosse Bassins, in denen, sauber getrennt, die ersten Donaufische zu sehen sind. Mit ordentlich Frischwasser versorgt, kurven hier Aale, Hechte, Barsche oder Brachsen ziemlich lebendig durch die Becken. Bevor sie dann frisch auf dem Markt landen, auf dem Teller der niederbayerischen Gastronomie – oder als "Steckerlfisch" auf dem Volksfest.
Bayerische Spezialsache
Auch so eine bayerische Spezialsache: Der marinierte Fisch wird dabei im Ganzen auf einen Weidenstock gespießt und über offenem Feuer gegrillt. Alljährlich ist die Fischerei Mayer natürlich auf dem Straubinger Gäubodenfest vertreten. Heimspiel. Aber auch der Feinkost Käfer und die Fischer-Vroni auf der Wiesn lassen sich mit den Donaufischen vom Mayer beliefern.
Es geht los. Das Boot wird in die Donau gesetzt. Der Fluss empfängt uns mit grauer Gelassenheit. Völlige Stille. Oberhalb von Straubing ist die Donau aufgrund der Stauung annähernd 300 Meter breit. Der Fluss ist ruhig und langsam. Viele Wasservögel sind schon zugange und es entsteht eine leise Ahnung von der breiten Pracht, die dieser Fluss vor seiner Mündung ins Schwarze Meer entwickelt. Wir tauchen ein in diese Fläche. Im Fahrtwind wird recht schnell klar, was mit dem "warm anziehen" gemeint war. "Nichts anderes möchte ich machen", erzählt uns Johann Mayer. Man spürt seine tiefe Beziehung zu diesem Fluss und der Vielfalt an Leben darin. Gefischt wird das ganze Jahr, ausser bei Hochwasser oder Eis. Montags legt Mayer abends die ersten Netze aus. Tagsüber würden die Fische sie sehen können. So ein Donaufisch sei schließlich weder blind noch dumm.
Wir holen das erste Netz ein. Meter um Meter, Fisch um Fisch wird ins Boot gezogen. Spannend. Brachsen in erster Linie, also Weissfisch. "Leider viele Gräten", sagt Johann Mayer. Deshalb wird daraus nur "Brät" gemacht, wofür das Filet vom Weissfisch mit seinen kleinen Fleischgräten fein vermahlen wird. Ziemlich nachhaltig eigentlich.
Aus Brät wird Fischburger. Oder traditionelle niederbayerische Fischbratwurst. Diese fleischlose Fastenspeise kam früher an kirchlichen Fastentagen auf den Tisch und war – mit Geheimrezepturen gewürzt – so wohlschmeckend, dass man sich darauf richtig freuen konnte.
Aber bleiben wir bei den zappelnden Weissfischen im Netz. Denen folgen Barsche, die ihre scharfkantigen Flossen gefährlich aufstellen. Ein Hecht, der in den ruhigen Händen des Fischers nochmal richtig Zähne zeigt. Und ein Waller, dessen riesige Urahnen tief drunten in der Mitte des Flusses liegen und höchstens mal langsam das Maul öffnen, damit ein Barsch da hineinschwimmt.
Wir haben viel gelernt vom Fischer Mayer. Zum Beispiel, dass zugunsten unserer Energieversorgung sich das Leben im Fluss gewaltig verändert. Das Wasser erwärmt sich, wenn es aufgestaut wird. Wodurch sich natürlich auch die Fischwelt verändert. Die herumziehenden Fische bevorzugen kühle Temperaturen und frei fließendes Wasser. In die Staugewässer kommen nun vermehrt Weissfische und Karpfen, während der Bestand an Barbe, Nase oder Frauennerfling zurückgeht. Geraten diese Edelfische ins Netz, so verkauft Mayer sie oft auch an Fischereivereine für den Wiederbesatz an Stellen, an denen sie bereits ausgestorben sind.
Wir hören von dem vielen Gras, das in die Altwässer wächst, vermodert und so den Sauerstoffgehalt sinken lässt. Altwässer sind Laichplätze. Nun bleibt den Fischen dort oft die Luft weg. Wir hören von Sportanglern, die den Fisch nicht fangen, um ihn zu essen, und sich dafür sogar noch eine zweite Gefriertruhe kaufen. In der dann auch der ein oder andere Huchen – ein legendärer und mittlerweile streng geschützter Donaufisch – landet, weil er versehentlich für eine Forelle gehalten wurde.
Ein Gründler, dieser Donaufischer Johann Mayer... Wir reden übers Essen. "Die alten Fischesser sterben grad weg", bedauert er, "und die Generation drauf kennt Fisch vor allem rechteckig. Aber es wird jetzt glücklicherweise wieder mehr gekocht ...".
Auf dem Rückweg landen mit großem Geschrei Hunderte von Graugänsen, um hier ihr Winterquartier zu beziehen. Nachmittags nimmt Johann Mayer den Fang aus. "Früher," erzählt er mir, "haben die Bauern die Innereien abgeholt. Für ihre Schweine. Die lieben das! Heute gibt’s für die halt nur importiertes Soja ...".
Für den Fischermeister geht es abends dann wieder hinaus an diesen unfassbar schönen Fluss. Neue Netze auslegen. Eintauchen in die Landschaft. Und in den Fluss, der seit vielen Generationen seine Familie ernährt. Der Fischermeister Mayer hat wieder einen Nachfolger gefunden, seinen Schwiegersohn. Gottseidank.
Mehr zu Hofladen, Marktstand und Volksfest unter www.fischerei-mayer.de