So schmeckt Niederbayern
Kennt ihr den „Kirschenmichl“? Habt ihr schon mal „Bruckbaam“ probiert? Und wisst, wie gut „dafeide Erdäpfel“ schmecken? Hinter diesen besonderen Namen verbergen sich typische niederbayerische Gerichte. Miriam Dick, Projektleiterin der Genussregion Niederbayern, kennt noch mehr davon. Wir haben mit ihr über die Genussregion Niederbayern, regionale Lebensmittel und Spezialitäten gesprochen.
Miriam, was hat es mit der Genussregion Niederbayern auf sich?
Die Genussregion Niederbayern möchte das kulinarische Erbe von Niederbayern erhalten und fördern. Die Kulinarik in Niederbayern ist zugleich vielfältig und einzigartig! Das ist kein Widerspruch. Wir erzeugen hochwertige, regionale Lebensmittel und Schmankerl, die sich am Jahreskreislauf der Natur und Landwirtschaft orientieren Mit diesem Projekt, welches 2020 vom Amt für Ländliche Entwicklung in Kooperation mit dem Bezirk Niederbayern gegründet wurde, möchten wir dies wieder stärker in das Bewusstsein rücken und zugleich die Wertschätzung und Verbundenheit mit der Landwirtschaft fördern. Auch die Urlauber sollen unsere niederbayerischen Schmankerl kennenlernen. Die niederbayerische Küche kann mehr als Schweinebraten!
Wie bringt ihr die niederbayerischen Schmankerl den Menschen näher?
Wir informieren über die Herkunft und Herstellung regionaler Spezialitäten, unterstützen Gastronomen und bringen diese mit regionalen Erzeugern zusammen. Zudem wirken wir dank unseres 1. Genussbotschafters Bernhard Senkmüller bei kulinarischen Veranstaltungen und Märkten in ganz Niederbayern mit und organisieren eigene Kochkurse. Wichtig ist es uns auch, eng mit Partnern wie dem Tourismusverband Ostbayern e.V. zusammenzuarbeiten. Und überall, wo wir sind, reden wir mit den Leuten und sammeln Rezepte, die wir auf unserer Website veröffentlichen.
Was ist das Besondere an der niederbayerischen Küche?
Je tiefer ich in das Thema eintauche, desto mehr fasziniert mich ihre Vielfalt. Ich denke, das liegt an den vielen unterschiedlichen Gegenden, Böden, Höhenlagen und kulturellen Einflüssen, die sich in Niederbayern bemerkbar machen. Der Bayerische Wald hat zum Beispiel eine eigene Identität und Geschichte, hier spürt man oft die Nähe zur böhmischen Küche. Entlang von Inn und Donau finden wir Überschneidungen mit der österreichischen Küche. Typisch für die Menschen in Niederbayern ist auch, dass sie – historisch bedingt – Meister darin sind, aus wenig viel zu machen, sei es handwerklich oder in der Küche. Weggeschmissen wird kaum etwas. Es gibt sicher noch eine Verwendung. Man braucht nur ein bisschen Improvisationstalent zu haben. Die Niederbayerinnen und Niederbayern sind erfinderisch und das schmeckt man.
Du bist seit eineinhalb Jahren Genussmanagerin – welche niederbayerischen Gerichte haben sich für dich bisher als prägend herauskristallisiert?
Schmalzgebäck! Am bekanntesten sind Faschingskrapfen. Sie sind aus Hefeteigund werden in Niederbayern traditionell mit Erdbeermarmelade gefüllt und in Butter- oder Schweineschmalz herausgebacken. Am besten schmecken sie ganz frisch und mit Puderzucker bestäubt. Doch es gibt noch viele andere Arten von Krapfen, zum Beispiel die größeren und flacheren „Auszognen“. Ob man sie mit oder ohne Weibal (Rosinen) genießen möchte – da scheiden sich allerdings die niederbayerischen Geister! Besonders im Rottal sind darüber hinaus Apfelkrapfen, Reiskrapfen und die knusprigen Hasenöhrl sehr beliebt. Wer einmal selbst Hasenöhrl oder Auszogne backen will, findet dazu Lehrvideos auf unserer Website. Im Bayerischen Wald habe ich zudem „Schuxen“ kennengelernt. Für sie verwendet man nicht Weizen- sondern Roggenmehl. Man isst sie mit Puderzucker oder deftig zu Gulasch und Sauerkraut. Dass ein Gericht süß oder herzhaft kombiniert werden kann, ist auch so eine Besonderheit in Niederbayern.
Nach dem Fasching kommt ja die Fastenzeit – ist da Schluss mit lustig?
Im Gegenteil! Die Fastenzeit ist ja zugleich die Starkbierzeit. Das kommt daher, dass in der Fastenzeit die Mönche früher ein besonders nahrhaftes Bier gebraut haben, das Starkbier, das auch mehr Alkohol enthält. Heute gehören die Starkbierfeste, bei denen Kabarettisten die Politiker derblecken, zum bayerischen Kulturgut. Ähnlich verhält es sich mit dem Hopfen, den man neben Wasser und Malz zum Brauen braucht. Er stammt oft aus der Hallertau, einem der weltweit größten Hopfenanbaugebiete, das zum Teil in Niederbayern liegt.
Und nach was schmeckt das Frühjahr in Niederbayern?
Gegen Ende der Fastenzeit, am Gründonnerstag, kommt in manchen Gegenden immer noch eine Gründonnerstagssuppe auf den Tisch. Dafür verwendet man neun verschiedene Wildkräuter, denen im zeitigen Frühjahr eine besondere Heilkraft zugesprochen wird. Am Karfreitag essen viele Leute Fisch. Ein Gericht, für das man auch grätenreiche Arten wie Nase, Rotauge und Barsch verwenden kann, sind Fischpflanzerl oder Fischkrapferl, die gut zu Kartoffelsalat oder in eine Semmel passen. Und ich liebe Forellenbatz! Das ist ein feiner Aufstrich aus geräucherter Forelle, den es bei vielen Fischständen auf den Wochenmärkten gibt. Überhaupt möchte ich den Besuch eines niederbayerischen Wochenmarktes allen ans Herz legen! Ostern feiern die Niederbayern gerne mit einem Lammbraten und einem Osterlamm-Gebäck. Typisch ist der Osterkranz oder Osterzopf aus Hefeteig. Im April und Mai hat Spargel Hochsaison, besonders bekannt ist der Spargel aus Abensberg. Viele Restaurants verwöhnen ihre Gäste zu dieser Zeit mit verschiedensten Spargelgerichten, zum Beispiel gekocht, gebacken oder zu einer feinen Suppe püriert, wahlweise in Kombination mit Wildkräutern, Gemüse, Fisch oder Fleisch.
Was sind typische Gerichte im Sommer und im Herbst?
Die Sommerzeit ist die Zeit der Volksfeste. Die größten Volksfeste sind das Gäubodenvolksfest in Straubing und das Karpfhamer Fest im Rottal. Das Volksfest der Stadt Regen im Bayerischen Wald, das „Pichelsteinerfest“, ist nach dem Pichelsteiner-Eintopf benannt. Der Legende nach ist er aus der Not heraus aus Gemüse und Fleischresten entstanden und kam so gut an, dass man ihn bis heute kocht.
Und Sommerzeit ist auch Biergartenzeit! Man sitzt gemütlich im Schatten unter Kastanien, bestellt sich eine Halbe Bier und ein paar resche Brezen, oder gleich eine Brotzeitplatte mit niederbayerischem Schwarzgeräuchertem, kaltem Braten, Kren, Radisalat, Käse, Brot und Essiggurken. Zwei herzhafte Aufstriche sind Kartoffelkas und Obatzda. Die sollten Biergartenbesucher unbedingt einmal probieren. Für den großen Hunger empfiehlt sich Schweinebraten mit Kartoffel- und Semmelknödeln oder Surbraten/Surfleisch. Das ist Fleisch, das durch Suren, also Salzen, haltbar gemacht wurde.
Im Sommer wird ja auch das Obst reif…
Besonders viel davon gibt im klimatisch begünstigten Lallinger Winkel, der aufgrund seiner vielen Streuobstwiesen auch „Obstkorb des Bayerischen Waldes“ genannt wird. Sobald das Obst reif ist, backen die Niederbayern Reinstriezl, Maitaschen oder Kirschenmichl, einen süßen Auflauf. Ein Dessert, das Restaurants gerne auf ihre Karte schreiben, sind süße Knödel. Sie werden meistens aus Quarkteig, manchmal auch aus Kartoffelteig, geformt und je nach Verfügbarkeit mit Erdbeeren, Zwetschgen oder Aprikosen gefüllt. Auch hier spürt man den Einfluss der böhmischen und österreichischen Küche, denn je nachdem werden die süßen Knödel entweder mit zerlassener Butter übergossen und mit Zucker und Zimt bestreut oder in Mohn oder Semmelbrösel gewälzt.
Kartoffeln mit Obst? Passt das denn zusammen?
Und wie! Als ich Kind war, hat meine Oma aus Kartoffelteig oft Bauchstechal beziehungsweise Fingernudeln – in Baden-Württemberg als Schupfnudeln bekannt – gemacht. Dazu haben wir Apfelmus oder Apfelkompott gegessen. Bauchstechal schmecken aber auch hervorragend herzhaft mit Sauerkraut. Genauso wie die etwas größeren „Bruckbaam“… Beides haben wir auch für unsere Rezeptesammlung auf der Website zubereitet, am besten mal reinschauen.
Ich habe von einem Kuchen gehört, der „dafeide Erdäpfel“ heißt… was hat es damit auf sich?
Erdäpfel werden bei uns Kartoffeln genannt. „Dafeide Erdäpfel“ bestehen aber natürlich nicht aus verfaulten Kartoffeln. Sie sehen – mit viel Phantasie – nur ein bisschen so aus. In Wirklichkeit handelt es sich um eine Art Rohrnudeln mit Zwetschgenfüllung, sehr fein!
Und was kommt in der kalten Jahreszeit auf den Tisch?
Sehr beliebt sind Waldschwammerl mit Rahmsoße und Semmelknödel. Die Wirtshäuser laden oft auch zu Wildwochen ein und servieren dann Köstlichkeiten wie Rehragout, Hirschleberkas oder einen Junghirschbraten. Zum Kirta am 15. Oktober gibt es Schmalzgebäck, zum Martinsfest einen Gänsebraten. Die Winterzeit ist traditionell die Zeit, in der Fleisch und Fisch geräuchert werden. Räuchern ist ja auch eine Form des Haltbarmachens. Beim Metzger seines Vertrauens erhält man dann Blut- und Leberwürst, ganz selten sind diese auch auf der Speisekarte traditioneller Wirtshäuser zu finden. Was es an Weihnachten gibt, ist von Familie zu Familie verschieden. Die einen feiern opulent mit Weihnachtsgans, Entenbraten oder Karpfen. Die andern eher schlicht mit Würstl und Sauerkraut. Das hat heutzutage nichts mit dem Geldbeutel zu tun. Eher damit, wie es von Generation zu Generation weitergegeben wurde.
Letzte Frage: Was ist Dein Lieblingsgericht?
Als leidenschaftliche Gärtnerin und Kräuterpädagogin sind mir Saisonalität, Regionalität, Nachhaltigkeit und Vielfalt sehr wichtig. Das Rezept beziehungsweise die Köchin kann noch so gut sein – wenn die Zutaten nicht auf den Punkt reif oder sogar überreif sind, schmeckt alles fad. Aus diesem Grund wandeln sich meine Lieblingsgerichte mit dem Jahreslauf. Nach dem Winter bin ich richtig süchtig nach Wildkräutern und kann es kaum erwarten, die ersten Brennnesselknödel zu formen. Dazu der erste frische Salat mit Radieserl – ein Gedicht. Im Frühling warte ich sehnsüchtig auf den 1. Mai, dann gibt es die Maibowle, welche aus Waldmeister gemacht wird. Danach geht es langsam Richtung Erdbeersaison – an den Erdbeerknödeln meiner Oma habe ich mich als Kind regelmäßig überessen. Im Sommer krieg ich nicht genug von Tomaten. Dann steht Brotsalat mit Tomaten, Bohnen, Zwiebeln, Knoblauch und Mangold hoch im Kurs. Im Herbst und Winter liebe ich Eintöpfe mit Wurzelgemüse und Hülsenfrüchten. Dazu darf es auch mal Fleisch geben – da wären wir beim Pichelstoaner. Und ganz besonders freue ich mich jedes Jahr auf den Gänsebraten zu Weihnachten. Mit Kartoffelknödeln und Blaukraut. Dürfte ich nur ein Gericht wählen, so wäre es der Knödel. Er ist ebenso vielfältig und eine runde G´schicht wie wir Niederbayern.